13. Febr. 1945 • Die Erinnerung ist wach.
Ich habe vorhin mit meiner Mutter über die Zerstörung Dresdens heute vor 60 Jahren gesprochen. Sie hat damals, zusammen mit ihrer Mutter (meiner Oma) und ihren beiden Geschwistern den Angriff überlebt. Ich möchte hier einige Einzelheiten veröffentlichen, die mir neu waren oder die ich zwischendurch vergessen hatte.
Meine Mutter ist die Tochter eines Berufssoldaten (Opa war 1944 in Frankreich gefallen) und ihre Familie lebte deswegen in einer Kaserne in Dresden (die von Mai 1945 bis nach der Wende von der Roten Armee bezogen war). „Wenn kein Wind gewesen wäre und die Bomben nicht abgetrieben wären, dann hätte es die Kaserne getroffen.” Leute, dann gäbe es mich möglicherweise gar nicht. Es ist erschütternd. „So sind sie in Alt-Übigau runtergekommen.”
Winston Churchill hat nachgewiesenermaßen gesagt: „Der Krieg ist mir egal. Ich will die Flüchtlinge braten sehen.” So oder ähnlich. In Dresden hielten sich damals Hunderttausende Flüchtlinge auf, im Frost unter freiem Himmel. Auf etwa 550.000 Einwohner kamen etwa 550.000 Flüchtlinge. Keiner kennt die Zahl.
Meine Tante, damals 3½ Jahre alt, war wenige Stunden vor den Bombardements von zu Hause weggelaufen, auf Welt-Erkundung gegangen. Über die Flügelweg-Brücke bis auf die andere Seite der Elbe. Da merkte sie, daß sie sich verlaufen hatte. Ein Mann brachte sie zurück. Er hat ihr wahrscheinlich das Leben gerettet.
In einer ersten Welle wurden die berüchtigten „Christbäume” gesetzt. Das waren Leuchtbomben, die das Zielgebiet taghell erleuchteten. Dann wurde Dresden großflächig bombardiert. Es ging um das Töten einer möglichst großen Zahl an Zivilisten und die Zerstörung möglichst vieler Gebäude. Das war eine Sünde gegen jede militärische Ehre. Die Geschütze der Roten Armee waren bereits zu hören. Sie sollte möglichst große Schwierigkeiten vorfinden.
Ich bin aufgewachsen in einem 10 km vom Dresdner Stadtzentrum entfernt gelegenen Dorf. Immer wieder habe ich als Kind erzählen hören, daß es dort während der Angriffe so hell war, daß die Leute hätten Zeitung lesen können. Noch in 50 km Entfernung war der Himmel erhellt.
Die Art der verwendeten Bomben entfachte derartige Brände, daß ein Feuersturm entstand: Das Feuer zog Luft an und verursachte einen starken Sog, dem viele zum Opfer fielen. Es wurden Phosphorbomben verwendet.
Viele der Überlebenden gingen zum Wasser, an die Elbe. Die Elbwiesen ziehen sich auf der Altstädter Seite als breiter Streifen am Fluß hin. Am nächsten Tag wurden die dort zusammengekommenen Menschen von tieffliegenden amerikanischen Maschinen niedergemäht. Ein klarer Verstoß gegen die Haager Konvention. Obwohl es dafür Augenzeugen gibt, wurde das später abgeleugnet. Die Piloten flogen so tief, daß sie ihren Opfern in die Augen sehen konnten.
Dresden war nur schwach bewaffnet. Dresden war sogar zur Lazarettstadt erklärt worden.
Im Dresdner Zoo waren Gebäude getroffen worden und es ist belegt, daß Raubkatzen völlig zahm und verstört im angrenzenden Großen Garten angetroffen wurden.
Es wurde auch der Winter-Bau des Zirkus Sarassani zerstört. Obwohl es wiederholt Alarm gab, verließen viele die Vorstellung nur zögernd. Die Menschen wollten sich ablenken. Viele bezahlten das mit ihrem Leben. Noch heute schwärmt meine Oma von diesem Gebäude, in dem der Zirkus im Winter Vorstellungen gab (statt im Zelt). Es wurde nie wieder aufgebaut.
Als jemand nach der Schwester von meinem oben erwähnten Opa und ihrem Mann schauen wollte, fand er das Haus in Trümmern. Viele gingen damals zu Fuß in die zerstörte Stadt, um nach ihren Verwandten zu suchen.
Ich mußte das hier aufschreiben, weil mir das sehr nahe geht. Das läßt keinen Dresdner kalt.
Ich bitte um Verständnis, wenn das als absolut hier erscheint und nicht in den Zusammenhang aller Kriegs-Geschehnisse gestellt wird. Ich bin mir darüber im klaren.
Es wäre ein leichtes gewesen, hier einige Links zu konservativen oder reaktionären Seiten reinzustellen, wo dies alles detailreicher dargestellt wird, auch mit Fotos.
So etwas kommt für mich nicht in Frage. Ich bin nicht politisch konservativ. Aber ich hielt es für meine Pflicht, hier den Schmerz und das Gedenken zu thematisieren, da die demokratischen Kräfte in Deutschland sich derzeit von der NPD in Aufruhr versetzen lassen und darüber das Leid Dresdens im Februar 1945 weitgehend aus dem Blick verloren haben. Es geht um unfaßbares menschliches Leid. Um eine Mahnung für die Zukunft. Wenn Demokraten sich dieses Thema von Ewiggestrigen wegnehmen lassen, dann finde ich das enttäuschend. Genau das geschieht seit mehreren Wochen.