Montag, 3. Januar 2005

Gedichte


ausgelesen/ausgeblättert: J. Loewenberg (Hrsg.) (1912), Vom goldnen Überfluß. Eine Auswahl aus neuern deutschen Dichtern für Schule und Haus

Also mit Gedichten habe ich genauso meine Schwierigkeiten wie mit der Oper. Tut mir schrecklich leid. In dem Buch bedichten sie aber auch immer dasselbe: Den Haudegen, den Tageslauf, die sterbende Frau, usw. Warum nicht den Liebesschmerz, den Bohnerwachs, die Fliegenklatsche oder das Kellerarchiv. Na ja.

Ich möchte ein Gedicht abschreiben aus dem Band, und mich werden wohl kaum geierige Anwälte abkassieren für eine Urheberrechts-Verletzung:


Carl Spitteler: Der Wanderer.

Flaumflocken flüstern vom Himmel leis.
Ein Wandrer steigt über Firn und Eis.
Die Schneefrau folgt ihm mit tückischem Schritt:
„Halt stille, mein Lieber, nimm mich mit!
Der Abend ist nah, und der Gipfel ist fern.
Ich spiel dir zur Kurzweil ein Liedchen gern.”
Sie setzt an die Lippe die grüne Schalmei,
die jauchzte von Blumen und Lenz und Mai.
Er lauschte, die Wangen von Tränen naß,
dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß.

Und finstrer wölkt sich der dämmernde Schnee.
Sie schlich ihm zur Seite auf listiger Zeh':
„Halt! daß ich dir leuchte, du wandelst irr!
Ein freundliches Märchen erzähl' ich dir.”
Eine Ampel zog sie aus ihrem Gewand:
Da glänzt ihm vor Augen der Heimat Land,
der Hügel, der Garten, die Eltern sein
im seligen goldigen Jugendschein.
Er schwankte. Schon kürzt er der Schritte Maß,
dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß.

Und es stürmt und es stöbert mit Sturmesmacht,
vom heulenden Felsen gähnt weiße Nacht.
Sein Wille versagte, sein Knie versank.
da saß sie auf einer steineren Bank.
„Hier ist es behaglich; komm, setze dich!
Ich weiß zu kosen gar minniglich.
Und lockt dich der Schlummer und lacht dir ein Traum:
An meinem warmen Busen ist Raum.”
Sie blickte so lieblich, sie nickte so hold,
als ob sich der Himmel ihm öffnen wollt.
Er wankt ihr entgegen in taumelndem Lauf
und fiel ihr zu Füßen - stand nie mehr auf.


Mal abgesehen davon, daß hier der Frauenmuffel in mir nett auf seine Kosten kommt: Warum muß der Kerl in einer Schneesturm-Nacht auf den Gipfel? Also ein schöner Morgen (4 Uhr) im August ist wesentlich besser geeignet. - Hallo, wer möchte mit mir den Greim besteigen??

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